Einstein erklärte, dass sich Gravitationsfelder stets mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Daraus leitete er den "Energieverlust körperlicher Systeme durch die Abstrahlung von Gravitationswellen" her. Berühmte Kollegen wie der Physiker Sir Arthur Edington bezweifelten die Existenz der Schwerewellen. Selbst Einstein zweifelte zwischenzeitlich an der Echtheit der Gravitationswellen. Den experimentellen Nachweis der extrem schwachen Wellen hielt er für völlig aussichtslos.
Nach Einsteins Allgemeinen Relativitätstheorie ist Gravitation die Verzerrung der Raumzeit durch Massen. Diese Verzerrungen beeinflussen, wie sich Licht und Materie bewegen. So verzerrt unsere Sonne die sie umgebende Raumzeit. Die Planeten werden scheinbar von der Sonne angezogen, folgen aber tatsächlich einer von dieser Raumzeitverzerrung bestimmten Bahn. Wenn große Massen beschleunigt werden, können sich Störungen der Raumzeitverzerrung - die Gravitationswellen - mit Lichtgeschwindigkeit in den Raum ausbreiten wie Wellen auf einem Teich. Der Raum wird dabei rhythmisch gestaucht und gedehnt, wodurch sich die Abstände zwischen Objekten ändern.
Im Prinzip entstehen Gravitationswellen immer dann, wenn sich eine Masse relativ zu anderen Massen bewegt. Weil die Wellen jedoch so schwach sind, lassen sie sich nur bei kosmischen Großereignissen messen wie beispielsweise einander umkreisende und kollidierende Neutronensterne oder Schwarze Löcher und explodierende Sterne, so genannte Supernovae.
Auch acht Jahrzehnte nach Einsteins Vorhersage ist es noch nicht gelungen, Gravitationswellen direkt nachzuweisen oder gar im Labor zu erzeugen. Immerhin ist ein indirekter Nachweis bereits gelungen. Russel Hulse und Joseph Tayler hatten über Jahrzehnte hinweg ein Doppelsternsystem aus zwei Neutronensternen beobachtet. Nach der Allgemeinen Relativitätstheorie sollen sie durch die Abstrahlung von Gravitationswellen merklich an Energie verlieren und sich dadurch im Laufe der Zeit immer schneller umkreisen. Diesen Effekt konnten die beiden Forscher 1978 nachweisen und erhielten dafür den Nobelpreis.
Doch die Astrophysiker wollen die Wellen direkt messen. Durch dieses neue Fenster ins All erhoffen sie sich Erkenntnisse über die heftigsten Vorgänge im Universum, wie zum Beispiel das Verschmelzen massereicher Schwarzer Löcher im Inneren von Galaxien oder sogar über die ersten Sekundenbruchteile nach dem Urknall.
Experimente zur direkten Messung der Gravitationswellen wurden in den 60er Jahren gestartet. Als Gravitationsantenne diente ein 1,5 Tonnen schwerer Zylinder aus Aluminium. Gravitationswellen sollten den Zylinder zu einer bestimmten Vibration anregen. Die hervorgerufene Verformung des Zylinders sollte dann mit hochempfindlichen Verstärkern gemessen werden. Auf diese Weise gelang allerdings kein Nachweis von Gravitationswellen.
In den 70er Jahren haben Physiker ein anderes Nachweisprinzip vorgeschlagen: Das so genannte Interferometer, bei dem die Messung durch die Überlagerung zweier Laserstrahlen erfolgt. Inzwischen gibt es schon einige solcher Anlagen beziehungsweise sie sind im Bau. Die Wissenschaftler rechnen damit, in den nächsten Jahren erstmals Gravitationswellen messen zu können und somit auch Einsteins Vermächtnis zu erfüllen.
Auch im Potsdamer Max-Planck-Institut (MPI) für Gravitationsforschung, dem Albert-Einstein-Institut, und seiner Zweigstelle in Hannover sind Forscher den geheimnisvollen Wellen auf der Spur. In einem Kooperationsprojekt mit dem MPI für Quantenoptik und den Universitäten Hannover, Cardiff und Glasgow wurde 2003 bei Hannover der Grundstein für Geo600 gelegt.
Seit 2003 zeichnet die Anlage Daten auf. Sie besteht aus zwei 600 Meter langen, L-förmig angeordneten Schenkeln. In diesen Interferometer-Armen bewegen sich Laserstrahlen durch Vakuumröhren. Ein Laserstrahl wird durch einen halbdurchlässigen Spiegel geteilt. Jeder der Teilstrahlen wird durch einen der Arme geschickt, am Ende von Spiegeln reflektiert und schließlich beide Strahlen wieder zusammengeführt. Die Anlage ist so eingestellt, dass die beiden Teilstrahlen im Gegentakt schwingen und bei Wiedervereinigung gegenseitig auslöschen. Es entsteht kein Signal. Wenn sich durch Gravitationswellen die Länge der Arme ändert, geraten die Lichtwellen außer Takt. Sie löschen sich nicht mehr aus und es entsteht ein Lichtsignal.
Die zu erwartenden Abstandsänderungen sind dabei äußerst winzig. Auch bei einem so gewaltigen und verhältnismäßig nahem Ereignis wie einer Sternenexplosion in einer Nachbargalaxie ist durch die Gravitationswellen nur eine Längenänderung von weniger als dem Tausendstel des Durchmessers eines Protons zu erwarten. Je länger die Messstrecke, desto größer ist die Wirkung. Aber selbst der Abstand zwischen Sonne und Erde würde sich dabei nur um den Durchmesser eines Wasserstoffatoms ändern.
Eine Herausforderung besteht darin, Gravitationswellen aus der Datenflut herauszufiltern. Theoretiker und Praktiker arbeiten dabei Hand in Hand. Nur die präzisen theoretischen Vorhersagen über die Eigenschaften der zu erwartenden Gravitationswellen ermöglicht es, die schwachen Signale zu finden.
Neben Geo600 suchen fünf weitere Detektoren nach den Signalen aus dem All, drei in den USA und je eines in Italien und Japan. Alle kooperieren miteinander, denn nur bei gleichzeitiger Messung von Gravitationswellen mit einem weit entfernten Detektor können sich die Forscher sicher sein, dass nicht eine lokale Störung die Quelle ist. Außerdem sind mindestens vier Detektoren nötig, um genauere Informationen über die gemessenen Wellen wie beispielsweise ihre Quelle zu erhalten.
Die Suche nach Gravitationswellen hat auf der Erde gerade erst begonnen, doch die Wissenschaftler haben schon hochfliegende Pläne. Und das ist ganz wörtlich zu nehmen: 2010 wollen ESA und NASA unter federführender Beteiligung des Albert-Einstein-Instituts einen Detektor bestehend aus drei Satelliten ins All schicken. Sie sollen dort ein gleichschenkliges Dreieck mit einer Seitenlänge von fünf Millionen Kilometern aufspannen. Hier, in der Stille des Weltalls, soll der Detektor Lisa nach Signalen von verschmelzenden Schwarzen Löchern und vom Urknall suchen, die durch die vielen Störquellen auf der Erde nicht zu empfangen sind. Auch hoffen die Astrophysiker, durch Lisa mehr über die mysteriöse Dunkle Materie zu erfahren, aus der vermutlich 96 Prozent des Universums bestehen.
Die Jagd nach Gravitationswellen bleibt jedoch nicht allein Wissenschaftlern vorbehalten. Jeder kann sich beteiligen. Einzige Voraussetzung zum Mitmachen: ein Computer mit Internetzugang. Die Forscher sind sogar auf Mithilfe angewiesen, denn kein Rechner der Welt kann die enorme Datenflut allein bewältigen. Im Internet wird deshalb demnächst ein Projekt gestartet, bei dem man sich ein Programm zur Auswertung sowie Daten vom amerikanischen Detektor Ligo auf den heimischen Rechner laden kann. Der analysiert die Daten im Hintergrund und schickt sie anschließend zu den Forschern von Ligo zurück.
(erschienen im Magazin der Universistät Potsdam "Portal")