Vor etwa 65 Millionen Jahren schlug ein riesiger Meteorit auf der Erde ein und machte den Sauriern und vielen anderen Arten den Garaus. Bis heute jedenfalls ist das die gängige Erklärung. Doch der Aufprall des außerirdischen Himmelskörpers ist nicht die alleinige Ursache für die Tragödie. An den anderen massenhaften Artensterben, die sich im Laufe der Erdgeschichte ereigneten, sind Meteoriteneinschläge möglicherweise sogar gänzlich unbeteiligt.
Einige Paläontologen halten es inzwischen für plausibler, dass es irdische Ursachen für den Massentod gab. Phasen mit häufigen und starken Vulkanausbrüchen, die das Erdklima veränderten, sollen der Grund dafür sein, dass immer wieder Lebensformen von der Bildfläche verschwanden und Platz machten für neue. Diese Theorie stützt sich unter anderem auf die Analyse von Spuren erdgeschichtlicher Vulkanausbrüche sowie auf die Untersuchung der Auswirkungen, die heutige Eruptionen auf das Klima haben.
Vulkanismus als Auslöser von Klimakatastrophen war ein viel diskutiertes Thema auf dem internationalen Symposium zur Katastrophenforschung, zu dem sich Ende November Wissenschaftler im Berliner Museum für Naturkunde trafen. "In der Fachwelt sind heute fünf große Aussterbe-Ereignisse innerhalb den letzten 500 Millionen Jahre anerkannt", sagte Wolfgang Kießling, Paläontologe an der Humboldt-Universität (HU) Berlin. Das letzte Massensterben, dem auch die Dinosaurier zum Opfer fielen, fand an der Grenze von der Kreidezeit zum Tertiär vor 65 Millionen Jahren statt. Kaum ein Forscher bezweifelt noch, dass in dieser Zeit ein Meteorit auf der mexikanischen Halbinsel Yukatan einschlug. Er hinterließ einen Krater von fast 200 Kilometer Durchmesser. Den darauf folgenden Klimawandel und das Artensterben erklärte man lange Zeit damit, dass der aufgewirbelte Staub die Sonneneinstrahlung behindert habe. Dadurch sei die Temperatur weltweit um etwa vier Grad Celsius abgesunken.
"Dieses Modell wird heute jedoch kritisch betrachtet", sagte Kießling. Schätzungen zufolge waren die Staubmengen zu gering. Und sie sanken wahrscheinlich innerhalb von zwei Monaten wieder auf die Erdoberfläche. Zum Dinokiller konnte der Meteorit wahrscheinlich nur werden, weil er in einem Gebiet mit schwefelhaltigen Gipsvorkommen niederging, sagt der Experte. Der Einschlag setzte gigantische Mengen an Schwefeloxiden frei, die einerseits sauren Regen verursachten und andererseits Aerosole bildeten, die schließlich zu Verdunkelung und Abkühlung führten.
In jüngster Vergangenheit mehren sich die Indizien, dass der Klimawandel bereits vor dem Einschlag begonnen hat. Darauf deuten beispielsweise Vereisungsspuren an den Polen hin. "In den vergangenen zwanzig Jahren haben wir beobachtet, dass Vulkanausbrüche das Klima beeinflussen können", berichtete Vincent Courtillot vom Institut für Physik der Erde in Paris und einer der wichtigsten Verfechter der Vulkanismus-Theorie. Ein Beispiel dafür seien die Ausbrüche des Pinatubo im Jahr 1991, die die globale Mitteltemperatur um etwa 0,2 Grad Celsius gesenkt hätten. Im Vergleich zu den Vulkanausbrüchen auf dem indischen Subkontinent am Ende der Kreidezeit seien heutige Ausbrüche jedoch geradezu harmlos. Mit der Lava, die damals freigesetzt wurde, ließe sich ganz Deutschland zehn Kilometer hoch bedecken.
"Für vier der fünf Massensterben können wir inzwischen einen zeitlichen Zusammenhang mit verstärktem Vulkanismus nachweisen", sagte Courtillot. Keines der anderen größeren und kleineren Aussterbeereignisse lasse sich überzeugend mit Meteoriteneinschlägen in Verbindung bringen. An Hand von Gesteinsproben haben Geologen nachgewiesen, dass sich der Einschlag des Yukatan-Meteoriten etwa in der Mitte der vulkanischen Aktivitätsphase ereignete. Verstärkter Vulkanismus tritt durchschnittlich alle 30 Millionen Jahre auf und dauert dann etwa eine Million Jahre an. Allerdings kommt es nicht in regelmäßigen Abständen zu diesen Aktivitätsphasen. Die letzte aktive Phase liegt 30 Millionen Jahre zurück. Wir leben heute in einer Ruhezeit. "Aber wir wissen nicht, wann die nächste Aktivitätsphase kommt", sagt Courtillot.
Für die globale Abkühlung durch Vulkanausbrüche gibt es vermutlich verschiedene Ursachen. Die Eruptionen schleudern riesige Mengen von Lava und Gasen über einen langen Zeitraum in die Atmosphäre. Ausgestoßenes Kohlendioxid verursacht zunächst einen Treibhauseffekt. Dadurch steigen die Temperaturen. Die gigantischen Massen an erstarrter Lava absorbieren aber Kohlendioxid in großen Mengen und entziehen es somit weitgehend wieder der Atmosphäre, so dass die Temperaturen anschließend unter den Ausgangswert sinken. Abkühlend wirken auch - wie schon beim Yukatan-Meteoriten - die freigesetzten Schwefeloxide. Zusätzlich reflektiert der durch die Eruption ausgestoßene Staub das Sonnenlicht.
Wenn die Eruptionen bis in die Stratosphäre reichen, können die starken Winde dort Gase und Staub um die ganze Welt transportieren. So könnte Vulkanismus das Klima für Tausende oder sogar für Millionen Jahre verändern. "Doch nur, wenn Gase und Staubpartikel tatsächlich in die oberen Schichten der Atmosphäre gelangen, können sie sich weltweit auf das Klima auswirken. Ob das zutrifft, ist noch sehr umstritten", sagt Wolfgang Kießling. "Wir stehen bei der Modellierung der klimatischen Auswirkungen solcher Vulkanausbrüche am Computer noch ganz am Anfang", räumte auch Courtillot ein. Inzwischen macht eine Art, die sich nach dem Sauriersterben auf der Erde ausbreiten konnte, den Vulkanen Konkurrenz. Courtillot: "Menschen bringen in sehr kurzer Zeit sehr viel Kohlendioxid in die Atmosphäre. Damit verändern wir langfristig womöglich das Erdklima in gleichem Ausmaß wie starke vulkanische Aktivität."
(erschienen in der "Berliner Zeitung")